Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden Küchenuhren für eine breitere Bevölkerungsschicht erschwinglich. Neben der Verwendung von anderen Materialien, wurden auch Steingut-Teller - mit Zifferblatt auf der Vorder- und Uhrwerk auf der Rückseite - als Küchenuhren verkauft.
Im niederösterreichischen Wilhelmsburg wurden die aus Tellern der laufenden Geschirr-Produktion gestalteten Uhrblätter bald mit einer eigenständigen Uhrblatt-Produktion ergänzt und die "Wilhelmsburger Steingut-Fabrik" wurde zum größten Uhrblatt-Produzenten der "Österreichisch-Ungarischen Monarchie". Bodenständige und Jugendstil-Dekore, Modeströmungen der "Wiener Werkstätte" und sogenannte "Delfter"-Dekore erfreuten sich über viele Jahre ungebrochener Beliebtheit.
Wer aber waren die Abnehmer der Wilhelmsburger-Uhrblätter?
Zollschranken, eingeführt gegen Ende des 19. Jahrhunderts, ließen deutsche Uhrenfabriken wie Kienzle, Mauthe, Hamburg-Amerikanische Uhrenfabrik, Junghans und Gustav Becker, Niederlassungen und Montagebetriebe auf dem Gebiet der Österreichisch-Ungarischen Monarchie errichten. Wie auch die damalige heimische Uhrenindustrie (Andres & Dworsky, Mühlhauser), begannen auch sie nach 1900 ihre Uhrblätter für Küchenuhren von der "Wilhelmsburger Steingut Fabrik" zu beziehen.
Ab etwa Mitte der 1920er-Jahre begann eine für Wilhelmsburger-Uhrblätter erfolgreiche Zeit. Über das weltweite Vertriebsnetz der Uhrenfabriken, hielten Küchenuhren mit Wilhelmsburger Uhrblättern Einzug auch in französischen, englischen und amerikanischen Wohnungen. In den 1930er-Jahren kamen "Art Deko"-Dekore auf den Markt, ergänzt von Formen- und Dekorvarianten, zu den damals beliebten "Rundbau-Möbel" passend.
Im Zweiten Weltkrieg ruhte die Uhrblatt-Produktion. Einige Zeit nach Kriegsende begann man wieder zu produzieren, konnte aber aus verschiedenen Gründen nicht mehr an die Erfolge der Vorkriegszeit anschließen. 1955 endete die Uhrblatt-Erzeugung. Der Lagerwaren-Abverkauf dauerte bis Anfang der 1960er-Jahre.